Dr. Meriam Axtmann
Einzeln-, Paar- & Sexualtherapie
Wer träumt nicht davon, mit jemandem in einer Beziehung zu sein, in der man gegenseitige bedingungslose Liebe erfährt? Dennoch scheint Liebe viel komplizierter zu sein, um einfach nur schön zu sein.
Um es nur auf ein paar Punkte runter zu reduzieren: Es sind die Mythen und die Glaubensätze, die wir über Liebe haben, die sie erschweren. Zum anderen sind es die psychologischen Hintergründe, die der Liebe zugrunde liegen. Dann kommen die psychosozialen Faktoren und die ganzen Anforderungen, die die Liebe herausfordern. Das alles zu managen ist ganz schön viel oder?
In diesem Artikel gehe ich auf ein paar Aspekte ein, mit der Hoffnung, euch damit ein paar Denkanstöße zu geben.
Es soll ihn geben: der Seelenverwandte, die einzige Person, die all meine Bedürfnisse erfüllt, meinem Leben Bedeutung gibt, der beste Liebhaber und der beste Freund. Eine Person für alles.
Es gibt nicht den einen einzigen wahren Menschen. Es gibt eine Person, für die wir uns entscheiden und mit der wir versuchen, die schönste Beziehung zu pflegen, die wir unter den Umständen haben können.
Die Sehnsucht nach bedingungsloser Liebe steht für unsere Sehnsucht nach der Liebe, die wir als Baby von unseren Eltern bekommen haben. Erwachsenenliebe ist anders.
Erwachsenenliebe soll auch Sicherheit und Stabilität geben, aber Erwachsenenliebe lebt in und aus der Ambivalenz. Wir haben ständig Ambivalenzen. Wir müssen ständig widersprüchliche Gefühle und Gedanken integrieren: Liebe und Hass, Aufregung und Angst, Neid und Verachtung, Langweile und Lebendigkeit. In der Erwachsenenliebe geht es um das ständige Verhandeln dieser Widersprüche.
Der Anspruch auf die Ewigkeit in der Liebe. Am Anfang ist die Vorstellung, die Lust soll ein Ausdruck der Liebe sein und auch nach vielen Jahren noch groß und schön sein. Liebe und Leidenschaft kommen aber in die Jahre. Viele Paare finden sich gefangen im Trott des ganz normalen Lebens und der Langeweile miteinander, anders als die Erwartungen, mit denen sie in die Liebesbeziehung gestartet sind. Ohne aktiv zu werden, können wir die Liebe nicht ewig aufrechterhalten.
Liebesbeziehungen haben eine existenzielle Dimension. Die Liebessehnsucht hat etwas mit dem innersten Kern unserer Person zu tun. Sie steht für unsere Sehnsucht gesehen zu werden und unsere Sehnsucht gehalten zu werden. Auch unsere Sehnsucht nach Transzendenz soll in der Liebe und in der Intimität in Erfüllung gehen.
In der Liebe sollen wir das Gefühl der Zugehörigkeit erfahren und die Sicherheit und Freiheit zur Selbstentfaltung bekommen.
Verbunden sein und dennoch autonom und selbstbestimmt sollen wir in der Liebe sein. Nähe und Distanz müssen stimmen: Die Pandemie hat dabei gezeigt, wie sehr Nähe- und Distanz-Regulierung Paare auf die Probe stellen kann. Das Leiden in der Liebe ist nicht zweitrangig, es bedroht die Integrität des Selbst. Es zeigt die Dilemmata und die Ohnmacht des Selbst.
Liebe ist eine Entscheidung und eine Kompetenz in einer sozioökonomischen Umgebung. Sie unterliegt dem Prinzip des freien Markts wie Leistung, Optimierung und dem Prinzip von Geben und Nehmen. Paare schauen darauf, wer wie viel investiert und kämpfen darum, dass ihre Investition in der Beziehung sich unter dem Strich lohnt.
Wir betrachten mittlerweile den Partner und die Beziehung als Produkt. Wir evaluieren den Partner und uns selbst ständig „Was habe ich für einen Marktwert? ... Bin ich das Wert? Hat er mich verdient? Ist es gut genug?... Bin ich glücklich genug? ... Könnte ich wo anders glücklicher werden?“
Dann kommen die Lebensentwürfe dazu, die von Karriere und Familiengründung gezeichnet werden. Die Community, die früher vor allem jungen Paaren unter den Arm gegriffen hat, schwindet. Was früher ein Netzwerk aus Freundschaften und Nachbarschaften war, ist heute ein Paar. Sie sind für sich und an sich alles für einander: Karrierecoach, Liebhaber, bester Freund, Vater der Kinder und Installateur in der Wohnung. Die Erwartungen an den Partner und an der Beziehung sind extrem hoch und so hoch wie noch nie zuvor.
Nun sind es echt viele Herausforderungen für die Liebe, die an sich was Zerbrechliches hat.
Zu guter Letzt fühlen sich viele Paare in ihrer Beziehung sehr überfordert, mit all diesen Herausforderungen umzugehen und suchen entweder die Weite bzw. die Trennung oder eine Paartherapie, weil sie doch für die Liebe alles geben wollen und alles versuchen wollen, bevor sie aufgeben oder sich trennen.
Jahrhundertelang hat uns unsere Kultur darauf konditioniert, "das Problem der Liebe in erster Linie als das zu sehen, geliebt zu werden, und nicht als das des Liebens", was uns wiederum dazu konditionierte, zu glauben, dass das Schwierigste an der Liebe darin besteht, die richtige Person zu finden, die uns liebt, aber wenn wir es einmal getan haben, ist die Liebe einfach.
Damit lade ich dich hier dazu ein, darüber zu reflektieren, wie du liebst? Wie du dich und deine Lebendigkeit ausdrückst? Wie du dich verbindest? Und nicht nur darüber nachzudenken, was dein Partner tun soll, damit du dich geliebt fühlst.
Dr. Meriam Axtmann
Einzeln-, Paar- & Sexualtherapie
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